Eli Cortiñas &

Walls Have Feelings

Walls Have Feelings ist eine hypnotische Montage aus kinematografischen, fotografischen und literarischen Referenzen, die mit Ausschnitten aus YouTube-Videos, Fernsehserien, Werbespots, generischem Filmmaterial, Animationen und neu gefilmten Materialien verbunden werden. Diese Elemente erzeugen eine komplexe Konstellation aus unterschiedlichen Geräten, Konsum- und Rezeptionsweisen und Machtformen, die inhärent miteinander verknüpft sind. In Cortiñas Arbeit werden Vergangenheit und Gegenwart, Diktaturen und Neoliberalismus, physische und kognitive Formen der Ausbeutung miteinander verwoben. Auf diese Weise beleuchtet sie die vielfältigen Prozesse des zum Schweigen Bringens und Verbergens, die von der Geschichte zugunsten des dominanten Wirtschaftssystems mit seinem grenzenlosen Streben nach Produktivität und Profit vorangetrieben werden. Dieses komplexe Machtgefüge wird durch die Mauer künstlich hergestellt, ein Objekt, das die zahlreichen Formen der Trennung (zwischen privat / öffentlich, Legalität / Illegalität, möglich / unmöglich), Verschleierung, Ausbeutung und nationale Grenzen verkörpert. Es ist gleichzeitig aber auch ein Objekt, dem durch seinen Gebrauch im Laufe der Menschheitsgeschichte all diese Bedeutungen beigemessen wurden. Was empfindet die Mauer?

Diese spekulative Frage mag wegen ihrer Implikationen – dass Mauern empfinden können und eine inhärente Unabhängigkeit des Denkens und der Emotionen besitzen – verwunderlich und amüsant klingen, aber wie alle Elemente in dem Film ist auch diese Vorstellung Teil einer komplexen Ökologie von Gedanken und Objekten. Er bezieht sich explizit auch auf die OOO (objektorientierte Ontologie), eine philosophische Strömung, die im Kontext der bildenden Kunst große Aufmerksamkeit erhalten hat. Vereinfacht gesagt: OOO distanziert sich von anthropozentrischen Weltbildern, indem sie den Vorrang der menschlichen Existenz gegenüber der Existenz nichtmenschlicher Objekte (die die Metaphysik als Produkt menschlicher Erkenntnis festlegt) zurückweist. Cortiñas' Arbeit nimmt dies zum Ausgangspunkt, um den möglichen Standpunkt einer Mauer zu analysieren, wenn es um die Beobachtung der menschlichen Geschichte geht.

Das Werk bezieht verschiedene Quellen ein, darunter literarische (u.a. Franco ›Bifo‹ Berardi, Silvia Federici, Achille Mbembe und Franz Fanon) und filmische Bezüge (die Verbrennung von Büchern in François Truffauts Fahrenheit 451, 1966, und das zum Schweigen Bringen des unabhängigen Denkens durch Werbung und Massenkommunikation in John Carpenters They Live, 1988, u.a.). Die Gedanken der Mauer kommen durch folgende Sätze zum Vorschein: »Das zum Schweigen Bringen der Vergangenheit ist zu einem Standardvorgehen geworden. Das Bauen von Mauern ist zu einem Standardvorgehen geworden. Die ethnische Säuberung der Geschichte ist zu einem Standardvorgehen geworden«.

Nach dieser Reise durch die vielfältigen Formen des zum Schweigen Bringens und der Ausbeutung im technologischen und kognitiven Kapitalismus führt uns eine Stimme durch eine kurze Hypnosesitzung, die nur scheinbar einen Zustand völliger Entspannung wiederherstellt. In Wirklichkeit jedoch versetzt sie uns immer tiefer in einen katatonischen Zustand, von dem aus eine politisch und wirtschaftlich tragfähige Alternative zum Kapitalismus vielleicht sogar noch schwerer vorstellbar ist. (Vanina Saracino)

Artist Statement
I work appropriating audiovisual material and de-/re-constructing narratives according to new scenarios; feminist discourses, the misleading construction of subalternity and the process of Othering within western audiovisual production lie at the core of my artistic investigation. The sources I used are very heterogeneous: films, YouTube videos, television series, adds, stock archives, generated images and own recorded material. Due to social media and a new paradigm in image-production through mobile devices, the currency of images has immensely increased and diversified. The imposed narratives with their inherent bias in the mainstream are still monopolized though and only slowly being questioned and subverted. The glitch as a space for resistance attempts to escape normativity and systems of surveillance capitalism. Audre Lorde famously said “the master’s tools will never dismantle the master’s house” but, who says that a new house cannot be built? And who decides the tools we pick? (Eli Cortiñas)

* Wir können nur einen Ausschnitt dieses Werks im Online-Videoarchiv zeigen. Für die vollständige Version, kontaktieren Sie bitte die Künstlerin, Waldburger Wouters, Brussels, und Soy Capitan, Berlin.

Abbildungen: Eli Cortiñas, Walls Have Feelings, 2019 © Eli Cortiñas/ Courtesy Waldburger Wouters, Brussels, Soy Capitan, Berlin

Über die Künstlerin

Eli Cortiñas * 1979 in Las Palmas de Gran Canaria, ESP, lebt und arbeitet in Berlin, GER. Studium an der Kunsthochschule für Medien, Köln, GER, und am European Film College, Ebeltoft, DEN
Webseiten

Über das Werk

Länge 00:13:00
Desktop-Selfie by Eli Cortiñas
Desktop-Interview: Eli Cortiñas & Vanina Saracino
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