VIDEONALE PREIS DER FLUENTUM COLLECTION

Che-Yu Hsu
Che-Yu Hsu, 副本人(Single Copy), Ausstellungsansicht VIDEONALE.18, Kunstmuseum Bonn, Foto: David Ertl, 2021.

Der Videonale Preis der Fluentum Collection geht in diesem Jahr an den VIDEONALE.18 Künstler Che-Yu Hsu für seine Arbeit "副本人 (Single Copy)". Wir gratulieren ganz herzlich!

Die Fluentum Collection finanziert bereits zum dritten Mal den mit 5.000 Euro dotierten Videonale Preis zur Unterstützung der ausgezeichnete/n Künstler*in bei der Produktion neuer Arbeiten. Eine lobende Erwähnung erhält die georgische Künstlerin Tekla Aslanishvili für „Scenes from Trial and Error".

Die Preisjury bestehend aus Prof. Dr. Stephan Berg (Intendant Kunstmuseum Bonn), Fatima Hellberg (Direktorin Bonner Kunstverein), Matthieu Lelièvre (Kunsthistoriker, unabhängiger Kurator und Berater am Museum für zeitgenössische Kunst in Lyon) und Dr. Linnea Semmerling (Leiterin Düsseldorfer Inter Media Art Institute) begründen ihre Entscheidung mit folgendem

Jury Statement:
„Die Jury trat am 1. März 2021 virtuell zusammen, um die Kunstwerke der Ausstellung zu sichten und den Preisträger bzw. die Preisträgerin zu küren. Wir hatten zwar die Gelegenheit, die Ausstellung in einer virtuellen Führung zu erkunden, aber das war selbstverständlich nicht dasselbe, wie in Bonn zusammenzukommen und die Arbeiten im Ausstellungskontext zu erleben. Die Umstände der Pandemie erhöhten daher unsere Abhängigkeit von den Sichtungskopien und machten es schwieriger, installative Werke zu bewerten, sensibilisierten uns aber erneut und auf unerwartete Weise für Einkanalvideos. Die Arbeiten in der Ausstellung zeigen eine große Bandbreite an gegenwärtigen Videopraktiken. Darunter befinden sich junge und etablierte Positionen aus vielfältigen Genres und Stilrichtungen: dokumentarische, erzählerische und experimentelle Videos sowie Mashups und Animationen. Ganz im Geiste der Videonale wollten wir eine junge Position auszeichnen, die uns mit einer idiosynkratischen Herangehensweise an ein neues Thema überzeugt und sich dieses wahrhaft zu eigen macht.

Nach spannenden Beratungen, angeregt durch die hohe Qualität der künstlerischen Positionen, wählten wir einstimmig Che-Yu Hsu als Gewinner des diesjährigen Videonale-Preises der Fluentum Collection. Seine Arbeit Single Copy aus dem Jahr 2019 ist eine gleichermaßen sensible wie rigorose Rekapitulation der chirurgischen Trennung der Chang Brüder, siamesische Zwillinge, die in den 1970er Jahren in Taiwan geboren wurden. Die persönlichen Erinnerungen des erzählenden Zwillings Chang Chung-I werden eng verwoben mit der kollektiven Erinnerung an den Eingriff im Jahr 1979, der für große mediale Aufmerksamkeit sorgte und symbolisch für die damaligen Beziehungen zwischen Taiwan und China stand. Die Jury war beeindruckt von der Sensibilität für den physischen Körper, die sich sowohl in Changs persönlichen Erinnerungen offenbart als auch in den verschiedenen Schichten der Modellierung, vom Silikonabguss bis zum digitalen Scan. Das Drehbuch ermöglicht zwar ein ausführliches Nachdenken über die Videokamera als Prothese, über die Fähigkeit des menschlichen Körpers, sich zu erinnern, und über die unterschiedlichen Lesarten des Phänomens des ‚Phantomglieds', aber Hsu drängt den Betrachter*innen keine der Interpretationen auf. Er überzeugt die Jury vielmehr mit seiner mühelosen Erzählkunst, sorgfältigen Komposition, technischen Raffinesse und seinem visuellen Scharfsinn."

Der Künstler Che-Yu Hsu wurde 1985 in Taipei, Taiwain geboren und lebt und arbeitet dort. Er schafft vor allem Animationen, Videos und Installationen, die die Beziehungen zwischen Medien und Erinnerungen thematisieren.

Mehr Informationen zum Preisträger finden Sie hier: Che-Yu Hsu

Lobende Erwähnung
Die Jury sprach zudem eine lobende Erwähnung für Tekla Aslanishvilis „Scenes from Trial and Error" aus. Die georgische Künstlerin begibt sich in ihrer Arbeit auf Spurensuche der gescheiterten Milliarden-Projekte Lazika und Anaklia City an der georgischen Küste. Mit dokumentarischen Techniken zeigt Ashlanishvili die materiellen und sozialen Konsequenzen auf, die die langjährigen Aufbauversuche einer futuristische Hafen-Stadt mit sich gebracht haben.

Mehr Informationen zu der Künstlerin finden Sie hier: Tekla Aslanishvili

Fluentum ist eine Plattform für die Produktion, Sammlung und Präsentation zeitgenössischer Kunst mit Fokus auf zeitbasierte Medien, insbesondere Bewegtbilder. Sie wurde von dem Berliner Software-Unternehmer Markus Hannebauer initiiert, der 2010 mit dem Sammeln von Videokunst begann. Seit Anfang 2019 bespielt Fluentum eigene Ausstellungsräume im denkmalgeschützten Hauptgebäude einer ehemaligen Militäranlage in Berlin-Dahlem.

Die Finanzierung des Videonale-Preis zur Unterstützung der ausgezeichnete/n Künstler*in bei der Produktion neuer Arbeiten erfolgt bereits zum dritten Mal.

Die Arbeiten der Preisträger*innen finden Sie im Online Videoarchiv der Videonale oder auf der jeweiligen Festivalwebseite

Vergangene VIDEONALE Preisträger*innen

V18: Che-Yu Hsu
V17: Sohrab Hura
V16: Randa Maroufi
V15: Shelly Nadashi
V14: Christian Jankowski
V13: Nate Harrison
V12: Manon De Boer
V11: Beate Geissler & Oliver Sann
V10: Roland Schappert & Michael Ebmeyer
V9: Călin Dan
V8: Denis Beaubois
V7: David Larcher, Bill Seaman, Paul Bush, Jem Cohen
V6: Sadie Benning, Peter Callas
V5: Marina Gržinić & Aina Šmid, Ken Feingold
V4: David Larcher, Norbert Meissner
V3: Woody Vasulka, Paul Garrin, Cecelia Condit
V2: John Adams, Dara Birnbaum, Llurex
V1: Jean-Francois Guiton, Volker Anding, Herbert Wentscher

PREISJURY FÜR DEN VIDEONALE.18 PREIS DER FLUENTUM COLLECTION

Prof. Dr. Stephan Berg ist Intentant des Kunstmuseum Bonn. Studium der Germanistik, Anglistik und Geschichte in Tübingen, Berlin und Freiburg, Promotion im Fachbereich Germanistik, arbeitet seit 1986 als freier Publizist. Er war Direktor des Kunstvereins Freiburg (1990-2000) und des Kunstvereins Hannover (2001-2008) und hielt Lehraufträge für Kunsttheorie und Kunstgeschichte an den Universitäten Freiburg und Hannover, der Staatlichen Kunstakademie Stuttgart und der Freien Kunsthochschule Basel. Seit 2004 ist er Honorarprofessor an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und seit 2008 Intendant des Kunstmuseum Bonn. Er realisierte zahlreiche Ausstellungsprojekte, zuletzt eine Einzelausstellung mit Werken von Martin Noël (2020) und die Ausstellung „Jetzt! Junge Malerei in Deutschland“.

Fatima Hellberg ist Direktorin des Bonner Kunstvereins. Sie hat Ausstellungen/Projekte in Institutionen wie ICA, London; Tate Modern; CCA Wattis Institute for Contemporary Arts, San Francisco; South London Gallery und Malmö Konsthall kuratiert. Hellberg war Künstlerische Leiterin des Künstlerhauses Stuttgart (2015-19) und lebte zuvor in London, wo sie als Kuratorin bei Cubitt Gallery und Electra, einer Organisation für zeitgenössische Kunst mit langjährigem Engagement im Bereich Gender und Feminismus, tätig war. Hellberg hat im Rahmen des Critical Studies Programme am Sandberg Institute, Amsterdam sowie an der Universität Oxford, der ZHdK, Zürich und der Kunsthochschule Bremen gelehrt. Sie studierte Kunstgeschichte und Visual Culture an der Universität Oxford und Curating Conramporary Art am Royal College of Art, London.

Matthieu Lelièvreis ist Kunsthistoriker und unabhängiger Kurator und Berater am Museum für zeitgenössische Kunst in Lyon (macLYON). Er absolvierte einen MA in Museumsstudien an der Ecole du Louvre und Kunsterhaltung am Institut National du Patrimoine. Er hat mehrere Vereine, private Galerien und Museen in Berlin mitbegründet. In Paris leitete er das Zeichenkabinett des Musée des Arts Décoratifs. Von 2016 bis 2018 war er als künstlerischer Leiter einer privaten Stiftung tätig, um das Programm für Künstler- und Künstlerresidenzen vorzubereiten und eine Zusammenarbeit mit dem Museum der Schönen Künste in Orléans zu initiieren. 2019 wechselte er zum Palais de Tokyo, um die 15. Lyon Biennale mitzukuratieren. Seit 2018 arbeitet Lelievre mit dem Museum für zeitgenössische Kunst in Lyon als dessen künstlerischer Berater zusammen. Er entwickelt als Autor und unabhängiger Kurator derzeit mehrere Projekte mit Ausstellungen, Performances und Workshops in Brasilien, Italien und Tunesien.

Dr. Linnea Semmerling ist die Leiterin des Düsseldorfer Inter Media Art Institute (IMAI), einer Stiftung, die sich der Sammlung, Verbreitung, Präsentation und Erhaltung von Medienkunst widmet. Sie hat Abschlüsse in Kulturwissenschaft, Kunstwissenschaft und Technologiewissenschaft der Universitäten Maastricht und Amsterdam, Niederlande. Semmerling organisierte Ausstellungen im ZKM Karlsruhe (DE), IKOB Eupen (BE), TENT Rotterdam (NL) und Marta Herford (DE) und schrieb Beiträge für Kataloge (ZKM Karlsruhe, Skulpturenmuseum Glaskasten Marl), Kunstmagazine (Kunstforum International, Metropolis M) und wissenschaftliche Zeitschriften (Organised Sound, Leonardo Electronic Almanac).
Ihre kuratorischen und Forschungsinteressen betreffen sozial engagierte künstlerische Praktiken und die Beziehungen zwischen Technologien, Institutionen und den Sinnen.

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