Anne Linke &
Pigeons and Architecture besteht durchgängig aus Detailaufnahmen urbaner architektonischer Strukturen, in denen sich Tauben auf verschiedene Art bewegen, fressen, wohnen, leben, unterlegt mit einem Soundtrack aus nachträglich verstärkten ›Atmo‹ Geräuschen ihrer Umgebung und subtil eingestreuten, entfernt an Industrial Techno Rhythmen erinnernden Sounds. Es entfaltet sich insgesamt eine etwas entrückte, leicht unheimliche Stimmung. Dazu berichtet eine Frauenstimme im Voice-Over aus dem Off lakonisch cool in kurzen Fragmenten über die Geschichte ihrer Beziehung zu Tauben, ihren Beobachtungen dabei und der daraus entwickelten Sympathie zu ihnen. Zusammen entfaltet sich durch den ausgefeilten Minimalismus der sehr genau eingesetzten Mittel eine trockene, fast widerständig wirkende Ästhetik, die gleichzeitig aber Sogwirkung hat.
Ohne jeglichen Vorspann fallen wir ins Bild, ein langsamer Kameraschwenk über Teile eines grau gepflasterten Bodens auf einem anonymen öffentlichen Platz, der Atmo-Ton blendet ein, eine Taube kommt ins Bild und pickt den Boden nach etwas Essbarem ab. Kleingruppen von Tauben trinken konzentriert aus den Rillen zwischen den Pflastersteinen. Sie sitzen einzeln, in Paaren, in Gruppen, in Unterführungen unter der Betondecke, hinter Gittern, Drähten, Nadeln, die alle eigens zu ihrer Abwehr an und auf Pfeilern, Querstreben, Absätzen usw. angebracht wurden, um es den Tauben zu verunmöglichen sich dort aufzuhalten. Irgendwie haben sie sich aller lebensfeindlicher Vorkehrungen zum Trotz an genau diesen Stellen aber doch eingenistet, fliegen von einer Gitterstruktur zur nächsten, von einer grau betonierten dunklen Ecke zur anderen, hüpfen Treppen hoch, nicken und picken fast fröhlich die dreckigen zugepflasterten Böden ab, oder schauen von irgendwo oben würdevoll ruhig und wach beobachtend einfach umher. Die Kamera, mal aus der Hand, mal vom Stativ, aber immer im mittleren bis weiteren Telebereich, folgt ihnen oder schwenkt über ihre näheren Umgebungen.
Wie die Erzählerin, entwickeln wir durch die Kamera und ihre Beobachtungen langsam eine anerkennende Sympathie für die Hartnäckigkeit und Widerständigkeit der Lebensbehauptung dieser ›nicht gewollten‹ Tiere. Und mit nahezu schadenfroh lächelndem Gefühl freuen wir uns plötzlich vielleicht darüber, wie sie all die kalt abweisende, vergittert stumme Abstraktion dieser Orte mit Schichten ihrer Fäkalien teilweise so bedeckt haben, dass einem unwillkürlich Jackson Pollocks Drip Paintings in den Sinn kommen. (Stefan Panhans)