Ellie Ga &

Gyres 1-3

In der Videoinstallation Gyres 1-3 der Künstlerin Ellie Ga verweben sich individuelle Lebensentwürfe mit virulenten gesamtgesellschaftlichen Problemen wie der Umweltverschmutzung oder der aktuellen Flüchtlingsmigration in der Ägäis.
Als Auftakt der Split Screen-Videoinstallation wird ein Leuchttisch angeknipst, der das zentrale Bildfeld bildet. Darauf werden farbige Fotofolien auf- und übereinandergelegt, die durch das Durchscheinen immer neue Arrangements hervorbringen. Die gerade nicht benötigten Folien ›landen‹ auf einem zweiten Leuchttisch im unteren Bildfeld. In einem linken Feld laufen kurze, von der Künstlerin gefilmte Videos der Dinge oder Orte, die sie in ihrer Voice-Over-Erzählung behandelt.
Die titelgebenden Gyres bezeichnen in der Ozeanographie ein System aus zirkulierenden Wirbeln, Wind und Meeresströmungen – in einer ebenso fließenden Erzählung mäandert der visuelle Essay zwischen Themen und Orten. Die Betrachter*innen erfahren gleich zu Beginn von dem schier unglaublichen Ausmaß an Frachtgut, das in den letzten Jahrzehnten in die Weltmeere gelangt ist: beispielsweise 61.000 Nike-Sneakers, die 1990 auf dem Weg von Südkorea nach den USA auf hoher See verloren gingen und von denen einzelne Schuhe immer wieder, gemäß der Gyres-Bewegungen, an Land gespült werden. ›Beachcomber‹, Strandgutsammler, lesen die Fundstücke auf und präsentieren sie auf Conventions. ›Beachcomber‹ ist im Englischen zugleich die Bezeichnung einer langen Welle, die vom Meer heran rollt – die Doppeldeutigkeit spiegelt sich in der künstlerischen Vorgehensweise von Ellie Ga wider, die rhythmisch Folien platziert und wieder wegzieht, und dazu im ruhigen Sprachfluss vom Leben des Schriftstellers und Reisenden Bruce Chatwin berichtet wie auch von den Unmengen an Rettungswesten und Flaschenposten an den griechischen Küsten von Lesbos und Symi. Formal erinnert Gas gewähltes Dispositiv an vordigitale Overhead-Präsentationen oder an die vergleichende Diaprojektion mit zwei Projektoren nach Heinrich Wölfflin, die akademische Vorlesungen prägte, bis der Beamer in die Vortragssäle einzog. Geschickt belegt die Künstlerin, wie dieselben Folien je nach Kontext eine unterschiedliche Wahrnehmung erfahren. Ga ›driftet‹ in ihrem visuellen Essay virtuos durch Aspekte der Kultur, Mystik, Autobiografie, Wissenschaft und Weltpolitik, doch verliert sie dabei nie die Analyse des Phänomens Migration aus dem Fokus: die Reise von Menschen und Dingen, freiwillig oder aus Not heraus. Ga erforscht die religiösen Motive, die ökologischen und politischen Katastrophen, von denen das Treibgut Geschichten zu erzählen vermag. (Elke Kania)

Artist Statement
My work is a form of conceptual archeology. I sift through conversations, images, histories and archives, uncovering fragments of the overlooked and the mistranslated. Through video installations, performances and books, I piece together unexpected connections, enabling metaphors to emerge as I try to find my way.
A key concept in my work is drift, not only in the sense that an object floats across the ocean, but also in the sense that we search for something but instead find something else. My video installation Gyres 1-3 (2019) explores the form of a gyre: a spiraling current on the ocean’s surface that circulates debris and casts it ashore. In Gyres 1-3, no loss, tragedy or object is treated more significantly than another: beachcombers gather the aftermath of the 2011 tsunami in Japan; an oceanographer studies the debris from container spills; shorelines reveal the histories of resistance, migration and ritual offerings on the Greek islands of the Aegean Sea.
In other works, I follow the fortunetelling rituals of a small crew of scientists drifting on a sailboat in the frozen Arctic Ocean (The Fortunetellers 2007-2011) and the quest to piece together a submerged ancient wonder in Egypt (Square Octagon Circle 2012-2015). The use of messages in bottles, both as a tool for studying the oceans and a metaphor for exile, is the subject of my video installation Strophe, A Turning (2017). (Ellie Ga)
Abbildungen: Ellie Ga, Gyres 1-3, 2019 © Ellie Ga/ Courtesy Bureau, New York City, USA

Über die Künstlerin

Ellie Ga * 1976 in New York City, USA, lebt und arbeitet in Stockholm, SWE. Studium am Hunter College, New York City, USA
Webseiten

Über das Werk

Länge 00:40:00
Sie befinden sich hier: VIDEONALE.18 / Ausstellung - vor dem Festival / Künstler*innen / Gyres 1-3