




Mouaad el Salem &
This day won‘t last nimmt uns mit in das Versteck derjenigen, die nicht sichtbar sind, deren Geschichte nicht Teil der offiziellen Erzählung ist, deren Stimme zwar flüstert, aber nicht die ist, die spricht. Die Videoarbeit von Mouaad el Salem* erzählt seine Geschichte mit klandestinen Bildern, die mehr verbergen als sie offenbaren. Unscharfe Handyaufnahmen, Körper im Anschnitt, Körper auf der Suche nach einer Identität jenseits von genderspezifischen Stereotypen – die sich aber nie zu erkennen geben –, wechseln sich ab mit flüchtigen Fotoaufnahmen, die festzuhalten versuchen, wo nur Verschwinden ist. Nach der Hälfte des Videos ein Schnitt, der signifikant für die Wünsche zu stehen scheint, die el Salem in seiner Erzählung benennt:
– Aufnahme einer Blume in schwarz-weiß, im Hintergrund ein Friedhof – Schnitt – Bewegtbild einer Blume in Farbe, im Hintergrund eine Siedlung. –
Die Frage der Teilhabe am Leben zieht sich wie ein roter Faden durch die Arbeit. Wie so viele andere Tunesier*innen hat auch el Salem auf der Straße solidarisch für die Erneuerung des Staates (und der Gesellschaft) gekämpft, aber der erhoffte Wandel hat sich für ihn und andere Vertreter*innen der LGBTQIA*-Community nicht erfüllt. Noch immer gilt in Tunesien der Artikel 230, der Homosexualität für strafbar erklärt und zu Ausgrenzung, Verfolgung, Gewalt führt. Der Artikel wurde 1913 von der französischen Kolonialmacht eingeführt und hat seitdem Bestand. Wenn el Salem den Artikel benennt, tut er dies auf Französisch und artikuliert so eindeutig die systematische Überformung, die mit jeder kolonialen Machtausübung einhergeht. Aus dieser Gewalt gibt es kein Entkommen und so beschreibt el Salem den Tod und die Migration als einzige Auswege für viele seiner Wegbegleiter*innen. Und doch, es manifestieren sich Zeichen einer neuen Solidarität, wenn auch noch zaghaft. Tags mit dem Schriftzug »Queers were here« hinterlassen Spuren im öffentlichen Raum, auf Demonstrationen schließen sich die Körper der sonst Unsichtbaren, abgesichert im solidarischen Wir für jede*n sichtbar, als ein kollektiver Körper der Vielen zusammen. Noch endet This day won‘t last am dunklen Strand, mit den Füßen in den heranspülenden Wellen, die an ihnen ziehen. An einer alternativen Erzählung, gesprochen von den Stimmen der Vielen, wird jedoch bereits geschrieben. (Tasja Langenbach )